Pressespiegel

Unterrichtsausfall: Sachlich, aber bestimmt reden die Eltern Tacheles

Die Schulpflegschaft des Gymnasiums hatte gestern Abend zur Podiumsdiskussion eingeladen. Mehr als 250 Interessierte füllten gestern Abend das Forum, in dem Ina Spanier-Oppermann als Vertreterin des Landes einen schweren Stand hatte.

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Kontrovers, aber fair: So gingen (v.l.) Dr. Frank Homberg, Barbara Ficinus, Ina Spanier-Oppermann, Joachim Busch und Terry Jentsch unter der Moderation von TME-Chefredakteur Thomas Reuter miteinander um.

Es ist alles eine Frage der Interpretation. Nicht jede nicht unterrichtete Stunde ist auch ein Stundenausfall. Und der Grund, warum die Stunde nicht unterrichtet wurde oder ausgefallen ist, muss auch noch in die Bewertung einbezogen werden. Ina Spanier-Oppermann, SPD-Landtagsabgeordnete und Mitglied des Landes-Schulaussschusses, hatte Erklärungsbedarf. Denn: Nicht jede nicht gegebene Stunde ist auch als ausgefallener Unterricht zu werten. Dass dies – und auch andere Positionen Spanier-Oppermanns – auf Protest stoßen würden, war programmiert. Die Schulpflegschaft des Gymnasiums hatte gestern Abend zur Podiumsdiskussion rund um Unterrichtsausfall, Lehrermangel und Co. eingeladen. Mehr als 250 Interessierte kamen. Und die erlebten einen kontroversen wie kurzweiligen Abend, an dem – auch das war nicht anders zu erwarten – die Fronten zwar geklärt, aber nicht aufgeweicht werden konnten. Wichtig aber: Der Gesprächsfaden ist nicht gerissen. Spanier-Oppermann lud nach mehr als zwei Stunden lebendiger Diskussion eine Wülfrather Delegation zur Vertiefung nach Düsseldorf ein.

Schulleiter Joachim Busch präsentierte offen eindrückliche Zahlen. 70 Stunden seien zu Beginn des laufenden Schuljahres ausgefallen. Aus vielerlei Gründen: Referendare standen nicht mehr zur Verfügung. Mehrere Lehrer fielen krankheitsbedingt aus. Dass es dann „nur“ 70 Stunden pro Woche waren, auch das strich Busch heraus, lag daran, dass Lehrer mehrere Stunden zum Teil mehr unterrichtet haben als im Vertrag vorgesehen. Das Defizit war eigentlich doppelt so groß. Stunden, die irgendwann „zurückbezahlt“ werden müssen. Die Schule steht in der Schuld einiger Lehrer.

Antworten blieben auch mal aus

Dr. Frank Homberg für die Elternschaft und Schülersprecherin Terry Jentsch schilderten, was dieser Unterrichtsaufall bedeutet – für Fünftklässler, für angehende Abiturienten. Denn: Betroffen waren alle. Was sie als Bildungspolitikerin einer Schülerin sage, die auf ihrem Weg kurz vor dem Ziel Abitur ausgebremst werde, weil Abi-Fächer nicht plangemäß unterrichtet werden können, wollte Moderator und TME-Chefredakteur Thomas Reuter von der Landtagsabgeordneten wissen. Eine Antwort blieb sie – auch auf mehrmaliges Nachfragen – schuldig. Sie verwies auf die Gesamtsituation und die Anstrengungen, die das Land unternehme. Sie räumte allerdings ein, dass in der anstehenden Verhandlungsrunde „mehr Geld in den Topf“ müsse. Das Thema Vertretungen für Schulen sei da ein wichtiges Thema.

Dass „früher vieles besser war“, merkte Barbara Ficinus an. Sie unterrichtet seit 36 Jahren am Gymnasium und hat so manche Bildungskrise mitgemacht – „aber keine wie diese“. Förderunterricht, Arbeitsgemeinschaften – all das sei gar nicht mehr möglich. Die Schüler nicht fördern zu können, sei eine Belastung für die Lehrer.

Auch aus dem vollen Plenum – die stellvertretenden Bürgermeister Andreas Seidler und Wolfgang Preuss verfolgten die Diskussion aufmerksam – kamen viele kritische Stimmen. Haupttenor: Das Land wisse schon heute, dass die Ausstattung an Lehrpersonal für das neue Schuljahr nicht ausreichen werde. Rein rechnerisch – und dabei entspricht der Stundenplan nicht den Vorgaben, welche Fächer mit welcher Stundenzahl zu unterrichten sind – wäre das Gymnasium bei 100 Prozent. „Tatsächlich steht es doch bei 92 Prozent“, provozierte ein Vater im Forum – und viele Lehrer in den Zuhörerreihen nickten.

Was soll der Schulleiter da managen, wenn kein Personal vorhanden ist.“
Jutta Reißbach

Unterrichtsausfall, gab Spanier-Oppermann zu bedenken, sei auch eine Frage des Mangements. Da sei die Schulleitung gefragt. Keiner kenne Schule und Kollegium besser, sie müsse diese Situation auch managen. Eine These, die kollektives Kopschütteln auslöste. Schulpflegschaftsvorsitzende Jutta Reißbach: „Was soll der Schulleiter da managen, wenn kein Personal vorhanden ist. Da kann er nix machen.“ Und auch Terry Jentsch merkte an: „Hier geht es nicht um eine oder zwei Vertretungen.“ Da sei ein struktuelles Defizit, weil Stunden dauerhaft ausfallen würden. An konkreten Beispielen mangelte es an dem sachlichen, aber auch deutlichen Abend nicht.

Was die offizielle Stundentafel fordert, ist noch lange nicht im Stundenplan

Spanier-Oppermann führte das Problem auch auf fehlende Fachlehrer – insbesondere in den Naturwissenschaften und IT – zurück. Schilderungen aus dem Gymnasium zeigten da andere Baustellen auf: Eine Mutter berichtete davon – in einer neunten Klasse -, dass über sechs Wochen Deutsch- und Englisch-Unterricht ausgefallen ist. In einer fünften Klasse fiel Kunst aus. Politik in einer Sechsten. Viele Klassen erhalten nicht den Sportunterricht, den die eigentlich verbindliche Stundentafel fordert. Schulpflegschaftvorsitzende Jutta Reißbach brachte eine Erhebung aus den Klassen am Gymnasium auf den Tisch: So sind in nur neun Wochen 630 Stunden am Gymnasium nicht erteilt worden, weil sie der Stundenplan trotz Stundentafel gar nicht erst vorsieht. „Und in der Statistik der Landes tauchen die nicht auf.“ Eine Lehrerin zeigte das Dilemma an ihrer eigenen Person auf: Seit Jahren sei sie – im Mangel-Fach Englisch – an der Schule, habe aber immer nur Halbjahresverträge erhalten. „Ich war da, als es die Probleme gab. Aber da ist nichts passiert.“ Inzwischen hat sie einen unbefristeten Vertrag – für den Unterricht in der Flüchtlingsklasse. Da wurde auch Spanier-Oppelmann nachdenklich. „Ich habe so meine Probleme mit den befristeten Verträgen.“

„Nebelkerzen aus Düsseldorf“

Gregor Neumann von der Elterninitiative für mehr Unterrichtsqualität im Kreis Mettmann (aus Mettmann) verwies auf den Bericht des Landesrechnungshofes, der seit Jahren und das wiederholt die Unterbesetzung an den Gymnasien im Land  kritisierte. Frank Homberg skizzierte – das Nachrichten-Magazin Spiegel zitierend -, dass NRW weniger Geld pro Schüler im Jahr aufwende als jedes andere Bundesland. Zahlen, die Spanier-Oppermann anzweifelte – ohne Gegenargumente zu präsentieren. Statistiken könnten unterschiedlich präsentiert und vor allem interpretiert werden. Ein Vater sprach von „Nebelkerzen aus Düsseldorf“. Womit wir wieder am Anfang wären …

Eine durchaus beeindruckende Schulfamilie

Im Vorfeld hatten Jutta Reißbach und Nathalie Frieseke als Organisatoren der Elternschaft Zweifel gehegt, ob ausreichend Besucher an der Diskussion teilnehmen würden. Zweifel, die letztendlich unbegründet waren. Eltern, Lehrer und Schüler gaben einen gutes Bild der Schul-Familie ab. Schulleiter Joachim Busch dürfte da innerlich gestrahlt haben… Ein starker und selbstbewusster Auftritt des städtischen Gymnasiums Wülfrath!

Thomas Reuter /TME