Pressespiegel

Zeitzeuge erzählt von der Gestapo

Als die Nazis an die Macht kamen, war Gerhard Laue fünf Jahre. An die Zeit des Nationalsozialismus kann er sich auch heute, als knapp 90-Jähriger, noch gut erinnern. Gestern sprach er mit Schülern des Gymnasiums an der Kastanienallee.

Der alte Herr ist groß und stattlich, die noch recht vollen grauen Haare hat er zurückgekämmt, zu einem cremefarbenen Rollkragenpullover trägt er einen grauen Anzug, ein dezent gemusterter Schal hängt lässig um den Hals. Das Gesicht zeigt Altersflecken, die Stimme ist zwar etwas brüchig, mit Unterstützung des Mikrofons aber ist der 89-Jährige gut zu verstehen. „Ich freue mich über die Einladung, und es ist mir sehr wichtig, dass Ihr diese schlimme Zeit unserer jungen Vergangenheit auch wirklich richtig versteht“, eröffnet Gerhard Laue seinen Vortrag vor den rund 100 Schülern des Wülfrather Gymnasiums an der Kastanienallee, die meisten davon aus der Oberstufe.

Er geht direkt in die Tiefe: „Es macht mich sprachlos, wenn ich von jungen Menschen gefragt werde: Warum habt Ihr Euch nicht gewehrt?“

Man sieht dem alten Mann an, es ist sein wunder Punkt, etwas, dass er unbedingt erklärt haben möchte, und nicht nur das: Sein Ziel ist es, dass die jungen Menschen vor ihm vielleicht sogar ein Stück weit die damals herrschende Stimmung erfühlen können.

„Ich war jung, und da tauchte Hitler auf, und alle vergötterten ihn, vor allem die Erwachsenen. Sie trugen Uniformen und waren scheinbar stolz, dazu zu gehören, unsere Eltern, unsere Großeltern, unsere Freunde. Und wir wussten: Wer etwas gegen das Regime sagt, der wird verfolgt und getötet. Wir hatten Todesangst, etwas falsch zu machen. Könnt Ihr Euch das vorstellen, heute so groß zu werden? Seid froh um die Freiheit, die Ihr genießt!“

Einige Schüler schauen betreten zu Boden. Die lebendigen Erinnerungen des Zeitzeugen gehen vielen offensichtlich sehr nahe. „Wir wurden dauerberieselt mit der Begeisterung über den Führer, überall, wo wir auch waren, wir kannten nichts anderes.“

Erst als die ersten Juden plötzlich verschwanden, spürte der junge Gerhard: hier ist etwas nicht in Ordnung. Und mit der verlorenen Schlacht von Stalingrad schlug seine Verehrung für Hitler in blanken Hass um. „Auch Freunden von mir erging es so, sie gründeten eine gewaltfreie Widerstandsgruppe, sie wollten Zersetzungsarbeit leisten.“

Lau selbst wollte sich nicht anschließen – aus Angst, aber auch, weil er nicht davon überzeugt war, dass eine Gruppe 15-Jähriger tatsächlich den Führer hätte stürzen können. Durch Mehrfachverrat wurden die Gruppe und Lau, als Mitwisser, schließlich von der Gestapo verhaftet. „Ich hatte Glück und wurde nach stundenlangem Verhör entlassen, die anderen bekamen zum Teil Haftstrafen.“ In einem Kurzfilm zeigt der gebürtige Erfurter, der seit 50 Jahren in Wuppertal wohnt, die Aufarbeitung dieser Zeit in Erfurt, gemeinsam mit jungen Schülern. „Wären wir, wie die Geschwister Scholl etwa, über 18 gewesen, wäre es für uns anders geendet, das könnt Ihr mir glauben.“

Katharina und Tobias, beide aus dem Geschichts-Leistungskurs und kurz vorm Abitur, sind sichtlich ergriffen. „Es war ein ganz anschaulicher Vortrag, der uns wesentlich mehr Einblick in die Problematik gegeben hat, als jedes noch so gute Geschichtsbuch.“

Quelle: RP/Daniele Funke