Vier neue Stolpersteine in Wülfrath
Bis Mitte Februar gab es in Wülfrath nur einen Stolperstein, der an ein Opfer der Nationalsozialisten erinnerte. „Kann das wirklich alles sein?“ fragten sich drei Gymnasiasten und forschten nach.
Hanna Albrecht, Erik Hohnhorst und Andreas Schmitz haben in ihrem Projekt herausgefunden, dass in Wülfrath Menschen wegen ihrer Tätigkeit in der internationalen Bibelforschervereinigung und als Zeugen Jehovas verhaftet wurden: das Ehepaar Heinrich und Maria Selma Dreier. Zwei Stolpersteine erinnern nun an sie an der Arbeitsstelle Heinrich Dreiers, am heutigen Panoramaradweg beim ehemaligen Bahnhof.
In einer kurzen, regennassen Feierstunde fanden die beiden Steine ihren Platz. Anwesend waren neben dem Bildhauer Gunter Demnig, den Schülern und ihrer Lehrerin, Angela Köhler, unter anderen auch Schulleiter Joachim Busch und weitere Lehrer, Pfarrer Thomas Rehrmann, Bürgermeisterin Claudia Panke, der LOT-Vorsitzende Klaus-Peter Rex und Ilona Küchler, Fraktionsvorsitzende der Linken im Rat.
Erinnern mit Stolpersteinen
Stolpersteine erinnern an Menschen, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 aus politischen, religiösen, medizinischen Gründen oder wegen ihrer sexuellen Orientierung verhaftet, verschleppt und oft auch ermordet wurden.
Die zehn mal zehn Zentimeter großen Steine lassen Passanten „nur“ optisch stolpern, denn einerseits heben sie sich durch die Messingoberfläche mit Inschrift von der Umgebung ab, zum anderen sind sie so in den Boden eingelassen, dass man nicht daran hängenbleibt. Sie werden dort platziert, wo der Mensch, an den erinnert wird, zuletzt willentlich gewohnt hat.
Die Idee der Stolpersteine stammt vom Bildhauer Gunter Demnig, der auch für die Erstellung der Steine sorgt und sie seit 1993 verlegt. 54.000 Stolpersteine wurden bis Ende 2015 in den Boden eingelassen.
Naziopfer in Wülfrath
In Wülfrath gab es bislang nur einen Stolperstein. Er erinnerte an Johanna Beyth und wurde 2008 verlegt. Drei Wülfrath Abiturienten fragten sich nun, ob es wirklich nicht mehr Opfer in Wülfrath gab, sprich: ob verfolgte Menschen vergessen wurden. Wesentlich begleitet hat sie der Wülfrather Historiker Dr. Frank Homberg, der das Forschungsprojekt auch initiierte.
Denn zunächst ging es ums Forschen, „um die Rechercheleistung“, wie auch Schulleiter Joachim Busch am Montag betonte. „Das ist eine besondere Leistung, die auch in Noten gewertet wird.“ Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Schüler tatsächlich weitere Menschen wieder ins Gedächtnis holen würden.
Darauf ging auch Bürgermeisterin Claudia Panke eine: „Ich danke den Jugendlichen für ihr Engagement und finde es gut, dass die Schüler den Erfolg ihres Projektes erleben. Damit kommt Geschichte ganz nah an uns heran, ins behütete Wülfrath.“
Hanna Albrecht, Erik Hohnhorst und Andreas Schmitz hatten in Archiven, Bibliotheken und in Gedenkstätten recherchiert. So stießen sie auf die Spuren des Ehepaars Dreier. „Wir wollen mit diesen Steinen an zwei Menschen erinnern: Heinrich und Marie Selma Dreier“, sagte Andreas Schmitz und schilderte, was jetzt vom Leben der beiden Opfer des Nationalsozialismus bekannt ist.
Die Schüler dankten während der Verlegung der Stolpersteine allen Beteiligten, vor allem Frank Homberg und Geschichtslehrerin Angela Köhler, die sie auch in schwierigen Phasen des Projekts zum Weitermachen motivierte, sowie dem Bildhauer Gunter Demnig. Während der kurzen Ansprachen verlegte dieser ruhig und zügig die beiden Stolpersteine am ehemaligen Bahnhof.
Die Kosten der Recherche übernahm der Förderverein des Gymnasiums. Eine Spende von Lhoist deckte die Kosten des Stolpersteins. Heinrich Dreier war bei Rheinkalk als Lokomotivführer beschäftigt gewesen. Die Firma stellte ein Entlassungsgesuch für Dreier, dem jedoch nicht gefolgt wurde. Dreier hat die Nazizeit aber überlebt. Er starb 1968. Seine Frau ist vermutlich im Gefängnis oder einem KZ gestorben; über sie gibt es keine Wiedergutmachungsakte wie über ihren Ehemann und auch sonst keine weiteren Spuren.
Die anderen beiden am Montag verlegten Stolpersteine erinnern an Eugen Raucamp und Willi Evertz, die wegen „Rundfunkverbrechen“ verhaftet wurden und im KZ starben. Dr. Homberg hatte ihre Spuren gefunden; nun erinnern auch an sie zwei Stolpersteine. Sie befinden sich auf der Heumarktstraße 19.
Sabine Drasnin / Supertipp